Von Corona und dem Privileg zu Reisen – Reisebüro im Jahr 2020

27. Oktober 2020

Elisa

Der Wecker klingelt um halb neun Uhr morgens, da genießt man doch erstmal ein gemütliches Frühstück auf dem Balkon. Danach zum Sport, um elf Uhr dann fix auf die Arbeit hinter den Counter, zahlreiche Kunden mit Pauschalreisen und hier und da liebevoll ausgearbeiteten Individualreisen ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Regelmäßig geht es auch selbst in die weite Welt, um die Destinationen mit den neuen Hotels kennenzulernen und um den Kunden im Anschluss noch besser auf die bevorstehende Reise vorzubereiten. Nach dem Feierabend um 20 Uhr geht es mit Freunden in eine Strandbar, um den schönen Sommerabend gemütlich ausklingen zu lassen.

Trotz der Luxusprobleme mancher Nörgler, die gelegentlich einen Rabatt herausschlagen wollen, geben mir die meisten sicher recht, wenn ich behaupte, dass die Beschreibung nach einem traumhaften Job klingt, der sowohl mir als auch den Personen, mit denen ich zusammenarbeite, wirklich Freude bereitet. Natürlich gehört noch viel mehr dazu – Gruppenreisen, Kundenabende, Buchhaltung, Schulungen und so weiter. Alles in allem ist das Kerngeschäft jedoch unsere Kunden glücklich zu machen.

Der Wecker klingelt um halb neun Uhr morgens, da genießt man doch erstmal ein gemütliches Frühstück auf dem Balkon. Danach zum Sport, um elf Uhr dann fix auf die Arbeit hinter den Counter, zahlreiche Kunden mit Pauschalreisen und hier und da liebevoll ausgearbeiteten Individualreisen ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Regelmäßig geht es auch selbst in die weite Welt, um die Destinationen mit den neuen Hotels kennenzulernen und um den Kunden im Anschluss noch besser auf die bevorstehende Reise vorzubereiten. Nach dem Feierabend um 20 Uhr geht es mit Freunden in eine Strandbar, um den schönen Sommerabend gemütlich ausklingen zu lassen.

Trotz der Luxusprobleme mancher Nörgler, die gelegentlich einen Rabatt herausschlagen wollen, geben mir die meisten sicher recht, wenn ich behaupte, dass die Beschreibung nach einem traumhaften Job klingt, der sowohl mir als auch den Personen, mit denen ich zusammenarbeite, wirklich Freude bereitet. Natürlich gehört noch viel mehr dazu – Gruppenreisen, Kundenabende, Buchhaltung, Schulungen und so weiter. Alles in allem ist das Kerngeschäft jedoch unsere Kunden glücklich zu machen.

Florian Berger berichtet von seinem Alltag im Reisebüro während der Corona-Krise.

Florian Berger berichtet von seinem Alltag im Reisebüro während der Corona-Krise.

Im März 2020 legt Covid19 dann sämtliche Branchen lahm – allen voran die Touristik. Der eben beschriebene Alltag wendet sich um 180 Grad. Alle Reisen abgesagt! Stornos über Stornos! Verärgerte Kunden wollen möglichst sofort ihr Geld zurück, werfen mit Paragrafen um sich und denken vermutlich wir haben die Scheine im Tresor liegen. Spoiler: Haben wir nicht! Einige Veranstalter, darunter die großen Namenhaften buchen die bereits gezahlte Vermittlungsprovision wieder zurück, schränken die Erreichbarkeit ein und teilen den Kunden mit, sie sollen sich bei Fragen doch an das Reisebüro wenden, in dem sie gebucht hatten. Ich denke niemand nimmt mir hier den etwas zynischen Kommentar übel: Wohl dem, der im Reisebüro gebucht hatte, denn hier steht wenigstens ein greifbares Ventil zum Frust ablassen zur Verfügung. Aus Fairness möchte ich dennoch nicht alle Kunden über einen Kamm scheren, da es unter den nun vielen erbosten auch einige wenige gab, die durchaus Verständnis für unsere Schieflage gezeigt haben. Und auch den anderen möchte ich nur bedingt Vorwürfe machen, da den meisten Kunden die Bedeutungen der unzähligen Zahnräder im eigentlich so unermüdlichen „Uhrwerk“ Tourismus gar nicht bekannt sind. Enttäuscht bin ich eher von einigen großen Konzernen, welche von schneller und scheinbar unbürokratischer finanzieller Hilfe profitiert haben und uns dennoch am langen Arm haben verhungern lassen. Für uns Reisebüros war vielerorts die Erreichbarkeit nicht mal bei Fragen zu Umbuchungen und Neubuchungen nicht gewährleistet. Manch einer hat schlicht weg alle Telefone ausgestellt. Auch die konzerneigenen Reisebüros in Jena – und sicher nicht nur hier – blieben über den allgemeinen Lockdown hinweg geschlossen. Kunden wurden absichtlich im Stich gelassen. Kein Wunder also, dass wir und die anderen Reisebüros, die von Anfang an versucht haben so gut wie möglich für die Kunden da zu sein – trotz täglich rund 100 E-Mails und circa 70 Nachrichten auf dem Anrufbeantworter – einmal mehr lernen mussten mit extrem verärgerten Kunden umzugehen.

Nun ist das Corona-Problem schon einige Monate alt und angesichts der vielen Dinge, die zwischenzeitlich passiert sind, welche im kommenden Jahresrückblick wahrscheinlich jede Sendezeit sprengen werden, ist von Normalität noch keine Rede. Doch was ist eigentlich Normalität in unserer Branche? Und gab es sie jemals? In Jena ist gefühlt alle 50 Meter ein Reisebüro zu finden, urlaubshungrige Pauschaltouristen drängen sich an den Flughäfen in enge Maschinen, um nach einigen Stunden Flug in einem Hotel am Strand gefangen zu sein und nett angerichtete Speisen aus Großküchen vom Büfett zu genießen. Getränke? Ja bitte! Rund um die Uhr, all inklusive, Qualität spielt eine untergeordnete Rolle. Billig muss es sein. Große Reiseveranstalter kommen dem unermüdlichen Durst nach Ersparnis der Kunden nach und liefern sich gemeinsam mit den Fluggesellschaften einen regelrechten Preiskampf um das beste Angebot. Um den Preisvorgaben gerecht zu werden, sind die Hoteliers dann vor Ort regelrecht gezwungen Kosten zu sparen. Eine allgemeine Besserung ist natürlich nicht in Sicht, Provisionen für die Vermittlung von Reisen sind gekoppelt an eine Steigerung- oder mindestens gleichbleibenden Umsatz zum Vorjahr, was bedeutet, das Reisebüros und andere Vermittler förmlich gezwungen werden mehr und mehr zu verkaufen, um die Existenz nicht zu gefährden oder gar irgendwann zu verlieren. Kann das der Preis für eine Urlaubsreise im Ausland sein? Vielleicht öffnet uns Corona die Augen und jeder kann seine individuelle Antwort auf diese Frage finden. Möglicherweise hilft es mit der grundsätzlichsten Frage zu beginnen: Warum gehe ich in ein Reisebüro und buche eine Urlaubsreise? Nur damit ich weiß, welches Hotel am besten ist? Reisen heißt doch Erleben, fremde Kulturen kennenlernen, andere Gerüche erleben, neuartiges Essen schmecken, unbekannte Reize erkennen und Gänsehaut beim Entdecken des Unbekannten zu bekommen. Natürlich gepaart mit der nötigen Erholung vom Alltag zuhause. Wenn wir uns dies vor Augen führen, müssten wir doch jedem Kunden, der beispielsweise nach Thailand will, um dort einen Strandurlaub zu verbringen, entschieden davon abraten. Warum stundenlang in einem Flugzeug sitzen und Tonnen von CO² in die Atmosphäre blasen, um am anderen Ende der Welt am Strand zu liegen, nur um die Sonne zu genießen, wenn dies genau so am Mittelmeer oder sogar in Deutschland möglich ist? Wenn Thailand, dann aber richtig; mit dem vollen Programm, damit es sich lohnt und ganz ehrlich – meiner Meinung nach sollte das auch einiges kosten dürfen. Denn gerade Corona zeigt uns doch, dass Reisen eben nicht selbstverständlich ist, sondern ein Privileg, das gerade wir in der verwöhnten westlichen Welt  als solches zu schätzen lernen sollten. Und genau hier liegt möglicherweise unser neuer Beratungsauftrag. Lasst uns die aktuelle Situation nutzen, um all das Besondere, einzigartige und unverkennbare einer Reise wieder in den Vordergrund zu rücken und getreu dem Motto von Pink Floyds‘ Song „Us and Them“ alle Beteiligten einer Reise dabei fair behandeln. Einige kleine Reiseveranstalter zeigen uns bereits, wie es geht, nun liegt es an uns und der Branche im Allgemeinen nicht wieder in den gewohnten Trott zu fallen.

Im März 2020 legt Covid19 dann sämtliche Branchen lahm – allen voran die Touristik. Der eben beschriebene Alltag wendet sich um 180 Grad. Alle Reisen abgesagt! Stornos über Stornos! Verärgerte Kunden wollen möglichst sofort ihr Geld zurück, werfen mit Paragrafen um sich und denken vermutlich wir haben die Scheine im Tresor liegen. Spoiler: Haben wir nicht! Einige Veranstalter, darunter die großen Namenhaften buchen die bereits gezahlte Vermittlungsprovision wieder zurück, schränken die Erreichbarkeit ein und teilen den Kunden mit, sie sollen sich bei Fragen doch an das Reisebüro wenden, in dem sie gebucht hatten. Ich denke niemand nimmt mir hier den etwas zynischen Kommentar übel: Wohl dem, der im Reisebüro gebucht hatte, denn hier steht wenigstens ein greifbares Ventil zum Frust ablassen zur Verfügung. Aus Fairness möchte ich dennoch nicht alle Kunden über einen Kamm scheren, da es unter den nun vielen erbosten auch einige wenige gab, die durchaus Verständnis für unsere Schieflage gezeigt haben. Und auch den anderen möchte ich nur bedingt Vorwürfe machen, da den meisten Kunden die Bedeutungen der unzähligen Zahnräder im eigentlich so unermüdlichen „Uhrwerk“ Tourismus gar nicht bekannt sind. Enttäuscht bin ich eher von einigen großen Konzernen, welche von schneller und scheinbar unbürokratischer finanzieller Hilfe profitiert haben und uns dennoch am langen Arm haben verhungern lassen. Für uns Reisebüros war vielerorts die Erreichbarkeit nicht mal bei Fragen zu Umbuchungen und Neubuchungen nicht gewährleistet. Manch einer hat schlicht weg alle Telefone ausgestellt. Auch die konzerneigenen Reisebüros in Jena – und sicher nicht nur hier – blieben über den allgemeinen Lockdown hinweg geschlossen. Kunden wurden absichtlich im Stich gelassen. Kein Wunder also, dass wir und die anderen Reisebüros, die von Anfang an versucht haben so gut wie möglich für die Kunden da zu sein – trotz täglich rund 100 E-Mails und circa 70 Nachrichten auf dem Anrufbeantworter – einmal mehr lernen mussten mit extrem verärgerten Kunden umzugehen.

Nun ist das Corona-Problem schon einige Monate alt und angesichts der vielen Dinge, die zwischenzeitlich passiert sind, welche im kommenden Jahresrückblick wahrscheinlich jede Sendezeit sprengen werden, ist von Normalität noch keine Rede. Doch was ist eigentlich Normalität in unserer Branche? Und gab es sie jemals? In Jena ist gefühlt alle 50 Meter ein Reisebüro zu finden, urlaubshungrige Pauschaltouristen drängen sich an den Flughäfen in enge Maschinen, um nach einigen Stunden Flug in einem Hotel am Strand gefangen zu sein und nett angerichtete Speisen aus Großküchen vom Büfett zu genießen. Getränke? Ja bitte! Rund um die Uhr, all inklusive, Qualität spielt eine untergeordnete Rolle. Billig muss es sein. Große Reiseveranstalter kommen dem unermüdlichen Durst nach Ersparnis der Kunden nach und liefern sich gemeinsam mit den Fluggesellschaften einen regelrechten Preiskampf um das beste Angebot. Um den Preisvorgaben gerecht zu werden, sind die Hoteliers dann vor Ort regelrecht gezwungen Kosten zu sparen. Eine allgemeine Besserung ist natürlich nicht in Sicht, Provisionen für die Vermittlung von Reisen sind gekoppelt an eine Steigerung- oder mindestens gleichbleibenden Umsatz zum Vorjahr, was bedeutet, das Reisebüros und andere Vermittler förmlich gezwungen werden mehr und mehr zu verkaufen, um die Existenz nicht zu gefährden oder gar irgendwann zu verlieren. Kann das der Preis für eine Urlaubsreise im Ausland sein? Vielleicht öffnet uns Corona die Augen und jeder kann seine individuelle Antwort auf diese Frage finden. Möglicherweise hilft es mit der grundsätzlichsten Frage zu beginnen: Warum gehe ich in ein Reisebüro und buche eine Urlaubsreise? Nur damit ich weiß, welches Hotel am besten ist? Reisen heißt doch Erleben, fremde Kulturen kennenlernen, andere Gerüche erleben, neuartiges Essen schmecken, unbekannte Reize erkennen und Gänsehaut beim Entdecken des Unbekannten zu bekommen. Natürlich gepaart mit der nötigen Erholung vom Alltag zuhause. Wenn wir uns dies vor Augen führen, müssten wir doch jedem Kunden, der beispielsweise nach Thailand will, um dort einen Strandurlaub zu verbringen, entschieden davon abraten. Warum stundenlang in einem Flugzeug sitzen und Tonnen von CO² in die Atmosphäre blasen, um am anderen Ende der Welt am Strand zu liegen, nur um die Sonne zu genießen, wenn dies genau so am Mittelmeer oder sogar in Deutschland möglich ist? Wenn Thailand, dann aber richtig; mit dem vollen Programm, damit es sich lohnt und ganz ehrlich – meiner Meinung nach sollte das auch einiges kosten dürfen. Denn gerade Corona zeigt uns doch, dass Reisen eben nicht selbstverständlich ist, sondern ein Privileg, das gerade wir in der verwöhnten westlichen Welt  als solches zu schätzen lernen sollten. Und genau hier liegt möglicherweise unser neuer Beratungsauftrag. Lasst uns die aktuelle Situation nutzen, um all das Besondere, einzigartige und unverkennbare einer Reise wieder in den Vordergrund zu rücken und getreu dem Motto von Pink Floyds‘ Song „Us and Them“ alle Beteiligten einer Reise dabei fair behandeln. Einige kleine Reiseveranstalter zeigen uns bereits, wie es geht, nun liegt es an uns und der Branche im Allgemeinen nicht wieder in den gewohnten Trott zu fallen.

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